Zum grossen Glück sindHerbstferien. Denn der Schulalltag hat uns wieder. Gnadenlos. Uns Elternschulpflichtiger Kinder. Vorbei sind die stressfreien Zeiten. Die Zeiten ohneDruck. Ohne Notendruck. Familienzeit Dank Corona. Noch nie erlebte Qualitytime.Kaum begann die Schule, ist wieder alles völlig anders. Gefühlt viel krasserals vor Corona.
Home-Schooling während demLockdown legte die Schwachstellen des Systems gnadenlos offen. Der Lehrplan21muss weitergehen. Ohne Wenn und Aber. Unser Lehrplan ist spiralmässigangeordnet, Neues ist auf Gelerntem aufgebaut. Jedes Jahr fusst auf dasVorjahr. Eine kürzlich erschienene Studie der Pädagogischen Hochschule (PH) Zugbelegt, dass offenbar rund 1/3 aller Schulkinder zurückbleiben. Einfach auf derStrecke bleiben. Dies weil sie während dem Lockdown kaum Möglichkeiten undUnterstützung hatten den Lernstoff zu erarbeiten. Schule fand «irgendwie»ausserhalb der Schule statt, eben durch digitale Kommunikation mitten inshäusliche System hinein. So driftet nun die ohnehin existente Leistungsscherenoch stärker auseinander. Hierbei müssten gemäss der PH Zug drei Schülergruppenbesonders berücksichtigt werden: (1) Schüler der Unter- und Primarstufe, diewährend dem Lockdown nur eingeschränkten Zugang zu digitalen Lehr-Lern-Formenhatten; (2) Schüler am Ende ihrer Schullaufbahn, am Übergang zurBerufsausbildung bzw. zum Studium; und (3) Schüler mit einem erhöhten Betreuungsbedarf,z.B. aus Familien in einem sozio-ökonomisch schwierigen Umfeld oder mitgeringen ökonomischen Ressourcen. Der «Corona-Gap» macht aus diesenSchülergruppen die eigentlichen (Bildungs-)Verlierer des Lockdowns.
Das Ministerium für Schule undBildung in Nordrhein-Westfalen (NRW) hat den «Corona-Gap» ebenfalls untersucht.Sie sprechen von kurz-, mittel- und langfristigen Folgen. Die kurz- undmittelfristigen Folgen sind bereits Tatsache. In den kurzfristigen Folgen,direkt nach der Schulöffnung, standen das Wiederankommen in der Schule und dieBeachtung der erhöhten Hygieneanforderungen im Vordergrund; Leistungseinbussen warenda noch kein Thema. Mittelfristig wurden bei einigen Schülern nach den erstenLeistungsüberprüfungen Lernlücken festgestellt, einhergehen mit erster Demotivationund Ängsten bezüglich der Versetzung. Die langfristigen Folgen können erst amEnde des laufenden Schuljahres festgestellt werden. Befürchtet wird einsprunghafter Anstieg der Anzahl Nicht-Versetzungen, oder ein Anstieg jener dieein 10. Schuljahr anschliessen müssen. Damit wird ein unnötiger individuellerund letztlich auch ökonomischer Schaden unmittelbar im Schulsystem direktmessbar. Man darf gespannt sein.
Unser Lehrplan21 lässt keinInnehalten zu. Die Schüler begannen ihr Schuljahr, abgesehen von den teilsfragwürdigen Hygienemassnahmen, völlig normal. «Business as usual». Aber eben: «It’snot school as usual». Wir befinden uns in einer unfassbar veränderten Welt.Vieles ist nicht mehr so wie es war. Nordrhein-Westfalen hat diesen«Corona-Gap» erkannt und hat bereits im Sommer ein Förderprogramm von 75Millionen Euro gesprochen um Lerndefizite auszugleichen. Gezielt sollen hierBildungsangebote, beispielweise auch an Wochenenden dazu beitragen denLeistungs-Gap zu überwinden. Einverstanden: NRW ist mit der Schweiz respektivemit dem Wallis bedingt vergleichbar. Das Schulsystem ist anders, das Land unddie sozialen Unterschiede grösser. Auch war der Schul-Lockdown in der Schweizvergleichsweise kurz. Doch auch Schweizer Kantone wollen dem «Corona-Gap»entgegenwirken. Beispielsweise der Kanton Neuenburg. Nachdem überprüft wordenist, welcher Stoff nochmals wiederholt werden muss, kam die Regierung zumSchluss zusätzlich 2.2 Millionen Franken für Stützunterricht zu sprechen.
Der Kanton Wallis hat bislangkein eigentliches Förderprogramm lanciert. Gemäss Auskunft der Dienststelle fürUnterrichtswesen gilt: «Man muss die Situation gut beobachten und reagieren,wenn dies angezeigt ist.» Bei Auffälligkeiten will man individuelle Lösungensuchen. Also wenig Konkretes. Zumindest läuft aktuell eine Studie derPädagogischen Hochschule Wallis.
Aussergewöhnliche Situationenbedürfen aussergewöhnlichen Massnahmen. Vielleicht sollte man gewisse strikteSystemregeln (zeitweise) ausser Kraft setzen oder zumindest so modifizieren,dass man einen Kompromiss aller Beteiligten erreicht. Denn wenn wirklich 1/3aller Schüler wegen dem Virus zurückbleiben, zieht das langfristig erheblicheökonomische Kosten mit sich.