Als ich wirklich noch ganz jung war, war alles besser. Mansass am Samstagabend in der Familie bei Gottschalk, Kulenkampff oder Heck,hörte noch mit dem Walkman Kassetten und wanderte recht anonym durchs Leben.Man pflegte soziale Kontakte, Freunde waren «real», Familie alles. Beim«Fux-Marinli» gabs noch Raider oder 5er Mocken, Blumen holte man sich beim«Gischig», Krimskrams im «Gonset» oder in der «Innovation». Alles war billiger,Leistungsdruck gabs nicht und man liebte sich bis zum Tode.
Heute ist vieles anders. In den Grossverteilern kauft manden täglichen Bedarf, ansonsten wird über brack, amazon, zalando oder garaliexpress geshoppt. Am krassesten hat sich aber wahrscheinlich dieMediennutzung geändert. Unsere Kinder schauen kein Fernsehen, lesen keineZeitung oder Zeitschrift, Tagesaktualität interessiert weit weniger alsirgendeine hohle Influenzerin. Die Abende, wo man als Familie gemeinsam was amTV schaut sind rar. Die Kinder verziehen sich in ihre digitale youtube-Welt,vollgestopft mit dämlichen Schmink-Tutorials von irgendwelchen schwangerenBibis, Dagis oder nicht so schwangeren Lochis. Gut, Die Lochis machen keineSchmink-Tutorials, obwohl sie selbst hiervon wohl am allermeisten profitieren könnten.
Wenn nicht youtube, dann wird genetflixt: Plötzlich befindetman sich in der Serien-Endlosschlaufe weit nach Mitternacht. Schlafen kann manwenn man tot ist. Das Smartphone lädt sich währenddessen auf. Ohne Akku ist mantatsächlich tot, weg von allen sozialen Plattformen und vor allem stumm beiWhatsapp. Schnell wird man vergessen und landet in der Bedeutungslosigkeit.Sowieso wichtiger als irgendwas ist über allem die digitale Selbstdarstellung.Ständig posten was man macht, stets auf der sehnsüchtigen Suche nach Likes undBestätigung und ständig damit beschäftigt andere zu bewerten und noch mehr:anderen zu gefallen.
War man vor Jahren noch «in», als man sich einFacebook-Profil zulegte, gehört man heute zum Uralt-Eisen. Die Jungenignorieren Facebook – Facebook wird zum bebilderten Seniorentreff. EinSeniorentreff auf Identitäts- und Glaubwürdigkeitssuche. Heute sind Instagram,Snapchat, Musica.ly weitaus trendiger, hipper. Auch Musik wird nicht mehrgekauft, sondern via Billigst-Abo gestreamt – und das ohne Werbung, aberallzeit und überall ganz einfach mit dem Smartphone. Ein ungesunder Bumerang.Denn, wenn Musiker ihre neusten Tracks nur mehr als Werbung für einebevorstehende Tour releasen, holen sie sich die Kohle halt anderweitig beiKonzerten oder im Merchandising.
Die Jungen sind aufgewachsen in einer digitalen undvollständig vernetzten Welt. Dabei gilt «mobile first» - alles und immerzunächst mobile. Nachempfunden vom glamourösen Lifestyle von Influencern,Bloggern, Realitystars und anderen Stars. Einfach extrem virtuell, statt«real».
Ich werde alt. Dachte, dass ich mich in der virtuellen Weltgekonnt bewege. Musste aber feststellen, dass meine Kinder mir neue Tools,Trends, Apps erklären müssen. So weit ist es nun. Ich klammere mich an Erinnerungenaus früheren «echten» Zeiten und Begegnungen, ich klammere mich an eingeborgen-wohlwollendes Gefühl bei interessanten Gesprächen ohne ständig aufsSmartphone gucken zu müssen und dennoch weiss ich, dass Vergangenes unwiederbringlichverloren ist. «Friänär isch alles besser gsi»… und plötzlich hör ich mich wiemein Vater anno dazumal an… Oder reden wir uns die Vergangenheit etwa nurschön?