In wenigen Tagen feiern wir strammen Schweizer Gut-Bürgermit Morgenrot, Alpenfirn und viel Alpenglühn unseren Nationalfeiertag. Stolzsein, muss man. Heisst es. Stolz sein auf einen mehr oder weniger gutfunktionierenden Rechtsstaat bislang ohne fremde Richter, auf einvorbildliches, wenn auch immer teurer werdendes Gesundheitssystem, auf einegesamthaft gute Infrastruktur für die Mobilität bis in das hinterste Tal oderaber auch stolz sein auf die soziale Sicherheit, das soziale Gefüge und dasmehrsprachige Zusammenleben trotz Rösti. Wir sind Schweizer. Und stolz darauf. DasWir-Gefühl als Voraussetzung jeglichen Zusammenlebens.
Genau hier bewegen wir uns an der Grenze von Patriotismusund Nationalismus. Kurz nach dem zweiten Weltkrieg definierte der englischeSchriftsteller George Orwell die beiden Begriffe. In seiner Quintessenz liebenPatrioten ihr Land, das eigene Volk, die ureigene Kultur. Nationalistenverherrlichen das Eigene und werten das Fremde ab, schüren damit Hass, suhlensich in der Überlegenheits- und Gleichgültigkeitssülze gegenüber anderenLändern, Völkern und Kulturen. Nationalismus ist damit aggressiv, machthungrig,überheblich und zerstörerisch. Währendem Patrioten defensiv handeln undletztlich die Fähigkeit besitzen, die eigenen Interessen etwas Grösseremunterzuordnen.
Doch ist die Unterscheidung zwischen Patriotismus undNationalismus so deutlich und unproblematisch? Denn grundsätzlich lehnen nichtalle patriotisch denkenden Menschen nationalistisches Gedankengut ab. Zumaleine positive, patriotische Einstellung zur eigenen Kultur meist einhergeht mitder Abwertung anderer, meist fremder Kulturen. Wird mit diesem Wissen aus dendrei Eidgenossen, die dereinst 1291 auf einer Wiese Einigkeit schwuren, ausPatrioten Nationalisten? Zumal Einigkeit darin bestand gegen die Fremdbeherrschungaufzutreten. Ich meine nein. Zwischen Patriotismus und Nationalismus gibt es fürmich eine klare Unterscheidung. Typisch für den Nationalisten sind Besessenheitund vor allem auch die Gleichgültigkeit der Realität, der Faktenlage. DerNationalismus ist so also letztlich der Verrat am Patriotismus. Und weil es diesim grossen Reich auch schon gab, spricht man auch gerne von Neo-Nationalistenoder unschön von «Nazis».
Und dass jetzt plötzlich das Oberwallis gemäss nationalenund sogar internationalen Medienberichten ein Herd für gleichsinnige Unsinnigeist, befremdet mich doch sehr. Was hat das in Deutschland offen, aggressiv unddestruktiv ausgelebte Überlegenheitsgefühl im Oberwallis zu suchen? Sorry, aberich versteh das nicht. Oberwalliser Landsleute, rechtschaffend, loyal,grundsätzlich auch sozial agierend, suchen ihr «Heil» am definitiv falschenOrt. Sie sind hier aufgewachsen, haben dieselbe Sozialisierung erlebt wie wiralle, gingen in dieselben Schulen, engagieren sich in Vereinen, sind unterKollegen beliebt und trotzdem wälzen sie sich in der rechten, braunenGermanen-Ecke.
Der frühere deutsche Bundespräsident Johannes Rau hat einstauf die Frage, ob er stolz sei ein Deutscher zu sein, geantwortet: «Man kannnicht stolz sein auf etwas, was man selber gar nicht zustande gebracht hat,sondern man kann froh sein und dankbar dafür, dass man Deutscher ist.»
In diesem Sinne besinnen wir uns doch zum Nationalfeiertagauf unsere ureigenen Schweizer Tugenden. Die da sind die Fähigkeit Kompromissezu schliessen, die Verbundenheit zur eigenen Multi-Kultur, unsereGastfreundschaft auch Fremden gegenüber und die Liebe zu unserem Brauchtum,unserem Land, unserer Schweiz. Es ist schön Patriot zu sein. Ohne Wenn und Aber.